Der Handelsvertreter als "arbeitnehmerähnliche Person"

Da ein Handelsvertreter zweifellos eine selbständige Tätigkeit ausübt, jedoch in den meisten Fällen als "Ein-Firmen-Vertreter" auf die Dauer lediglich für einen Prinzipal tätig ist, wird er in arbeits- und sozialversicherungsrechtlicher Hinsicht als "arbeitnehmerähnliche Person" bezeichnet. Das Arbeitsrecht ist in Fällen der Selbständigkeit nicht anwendbar, jedoch kann die Abgrenzung zu einem Arbeitnehmer zu erheblichen rechtlichen und finanziellen Kosequenzen für den Geschäftsherrn führen.

Sozialversicherungsrechtliche Pflichten

Der arbeitnehmerähnliche selbstständige Handelsvertreter muss jedoch Beiträge zur Rentenversicherung zahlen. Für die Abführung der Beiträge an die Deutsche Rentenversicherung ist der Handelsvertreter selbst verantwortlich. Der Prinzipal muss sich nicht wie bei Arbeitnehmern an den Beitragszahlungen beteiligen.

Kriterien für die Unterscheidung zwischen Selbständigen und Angestellten

Sofern der Handelsvertreter jedoch als Arbeitnehmer anzusehen ist und damit eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung im Sinne des Sozialgesetzbuches SGB IV vorliegt, hat der Geschäftsherr sämtliche Sozialabgaben zu übernehmen. Hierfür und für die Frage des Gerichtsstandes ist oft zuerst einmal zu klären, ob ein Zivilgericht oder das Arbeitsgericht für eine Streitigkeit zuständig ist. Für den unselbständigen Angestellten wäre das Arbeitsgericht zuständig, während in den Fällen des unabhängigen Handelsvertreters die Zivilgerichte zuständig sind.

Nach einer Entscheidung des Oberlandesgerichts München ist für diese Frage "das Gesamtbild der vertraglichen Gestaltung und der tatsächlichen Handhabung ....“  wesentlich. Zu prüfen ist also, wie die Vertragsbeziehung im wirtschaftlichen Alltag ausgestaltet ist.

Allein die vereinbarten tatsächliche Bezeichnungen im Vertragstext als:

  • "Vertriebspartnervertrag" und
  • "selbständiger Handelsvertreter"

sieht das Gericht als nicht ausreichend an, sondern maßgebend ist vielmehr die tatsächliche Umsetzung in der wirtschaftlichen Praxis.

Wenn außerdem Provisionen nicht abgerechnet werden und eine Entlohnung in der ständig gleichbleibenden Höhe vorgenommen wird, ist dies ein starkes Indiz für die Arbeitnehmereigenschaft.

Eine Einordnung in den Geschäftsbetrieb des Geschäftsherrn ist gegeben, wenn der Handelsvertreter

  • seine Tätigkeit vom Büro des Geschäftsherrn ausübt, und
  • hierfür fest Tätigkeitszeiten vereinbart sind, sowie
  • die Abwesenheitszeiten für Kundenbesuche mit dem Geschäftsherrn abgestimmt werden.

(vgl. OLG München Beschluss vom 20.03.2014, Az. 7 W 315/14)

Rechtstipp

Neben einem handfesten Vertrag ist die tatsächliche Handhabung der Vertragsbeziehung in der gelebten Praxis entscheidend. Je mehr Kontrollrechte vom Geschäftsherrn ausgeübt werden und damit eine höhere Abhängigkeit des Handelsvertreters erzeugt wird, desto mehr wird eine Scheinselbständigkeit und damit eine Arbeitnehmerstellung erzeugt, was letztlich dazu führt, dass ganz beträchtliche Sozialversicherungsbeiträge vom Geschäftsherrn auch für die Vergangenheit übernommen werden müssen.

 

 

 

 

 

 

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